Gesichter unserer Landeskirche

Frisch ordiniert: Pfarrer Jörg Birkenmaier

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Mai 2019

Theologie heißt übersetzen, um zu berühren

Ende April wurde Jörg Birkenmaier (1985 geboren) in der Kirchgemeinde Klingenthal ordiniert. Diesen Moment empfand er als das Ziel eines langen Weges. Warum er heute doch nicht als Lehrer vor einer Klasse steht, sondern das Pfarramt wählte, warum ihn Literatur, Kunst und Musik besonders inspirieren und weshalb mit seinem neuen Wohnort im vogtländischen Klingenthal für ihn der Idealfall eintraf, erzählt er im Interview mit Romy Stein.

Wollten Sie das von kleinauf Pfarrer werden oder wie kam es dazu?

Das war ein längerer Prozess. Mit dem Ziel Lehrer zu werden, schrieb ich mich für Geschichte und Theologie ein. Später gaben mir Freunde den Impuls mich für das Pfarramt, also das kirchliche Examen einzuschreiben. So kam es, dass ich ab dem fünften Semester ein Doppelstudium machte. Es war zwar anstrengend mit den beiden Fächern, aber Geschichte war schon immer meine Leidenschaft. Das musste ich also studieren.

Ich hab mich mit den Inhalten sehr intensiv auseinandergesetzt, so dass es mich persönlich stark prägte. Mich beschäftigten die Fragen „Wie kommt der Mensch zum Heil?“ und „Was bedeutet es für mich, dass Christus gestorben und auferstanden ist?“. Es gab Erlebnisse, die meine Beziehung zu Jesus entscheidend vertieft haben. Einmal in der Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift, aber auch durch Gebet. Dann kam mein praktisches Semester für das gymnasiale Lehramt. Das war zwar gut und hat Spaß gemacht, aber trotzdem rückte das Thema in den Hintergrund und der Impuls für das Pfarramt wurde stärker.

Schließlich legte ich beide Examina für Geschichte und Theologie ab und ging ins Vikariat. Auch da war ich noch nicht hundertprozentig sicher.

Wie verlief das Vikariat?

Die Vikariatszeit war wichtig, um die Gemeindepraxis und die vielschichtigen Aufgaben eines Pfarrers zu erleben. Die zweieinhalb Jahre brachten dann die Entscheidung für das Pfarramt. 

Johannes Schreiner vom Kirchspiel Radeberger Land war mein Mentor. Er ließ mir viel Freiraum, ließ mich Dinge ausprobieren. Für Gespräch und Reflexion nahm er sich immer Zeit, obwohl er in seiner Funktion als Pfarramtsleiter massiv eingebunden war.  Es entwickelte sich eine sehr gute Beziehung zwischen uns. Trotz  theologischer Unterschiede waren wir jeweils offen für die Sicht des anderen und profitierten voneinander.

Das Vikariat war auch Auslöser dafür, die Doktorarbeit, die lange geplant war, doch sein zu lassen. Ich merkte einfach, dass es nicht dran war. Ich spürte, ich muss jetzt zu den Leuten.

Wie haben Sie Ihre Ordination in der Kirchgemeinde Klingenthal erlebt?

Ich habe sie sehr intensiv erlebt. Als Zielpunkt eines sehr langen Weges, der auch von Hin und Her geprägt war. Noch vor der Ordination war ich sehr angespannt und aufgeregt, währenddessen dann aber sehr friedlich. Für mich war spürbar, dass dort Gottes Geist handelt.

War der Umzug aus der Großstadt Dresden in das ländliche Klingenthal mit knapp 9.000 Einwohnern eine große Umstellung?

Mein Vikariat erlebte ich ja auch schon im kleinstädtisch geprägten Radeberg. Obwohl ich nahe der Großstadt Dresden lebte und mir anfangs vornahm regelmäßig kulturelle Angebote wahrzunehmen, kam es faktisch selten dazu, weil die Zeit fehlte.

Ins Pfarramt wird man entsandt, darf sich aber Regionen wünschen. Meine Frau und ich wählten u.a. wegen der Frömmigkeitsprägung das Erzgebirge und Vogtland. Außerdem wollten wir gern in ländliches Gebiet, wo viel Natur, Ruhe und Entschleunigung zu finden sind. Mit Klingenthal ist sozusagen der Idealfall eingetreten. In Radeberg haben wir sehr laut gewohnt. Wenn ich hier das Fenster öffne, höre ich die Vögel und sonst nichts.

Wie nehmen Sie die Klingenthaler Gemeinde wahr und wie wollen Sie das Gemeindeleben gestalten?

Wir wurden hier ganz herzlich aufgenommen. Nach dem Auspacken spielten Posaunen und man empfing uns mit einem selbst gebackenen Osterzopf. 

Die Gemeinde ist sehr lebendig. Es gibt viele engagierte Leute, sowohl hauptamtlich als auch ehrenamtlich. Das sind sehr gute Voraussetzungen.

Meine Aufgabe ist es zunächst einmal zu gucken was es alles gibt, was die Anliegen der Leute sind und was sie für eine Geschichte mit der Gemeinde haben. Wenn ich dann ein Bild habe, kann ich etwas entwickeln. Ich habe klare inhaltliche Vorstellungen, aber die Formen, die sich hier eignen, werden sich noch ergeben.

Was macht für Sie eine Predigt zu einer guten Predigt und was muss passieren, damit sie gut wird?

Ich selbst habe immer den Anspruch es auf eine Weise zu sagen, wie es vielleicht noch nicht gehört wurde. Ohne dass ich den Inhalt verändere. Wenn es zum Beispiel um die Menschwerdung Jesu geht, kann ich immer sagen „Das Wort hat Fleisch angenommen.“ Da laufe ich allerdings Gefahr, dass es schon häufig so gehört wurde und bei den Leuten nichts auslöst. Wenn ich es aber anders formuliere, kann es vielleicht etwas Neues auslösen.


Manchmal spüre ich während der Predigt regelrecht, dass das Gesagte bei den Leuten ankommt. Sowas ist natürlich toll. Nach dem Gottesdienst eine Rückmeldung zu bekommen, ist das Beste der ganzen Woche. Es ist quasi die Belohnung.

Wo holen Sie sich Inspiration für das Schreiben der Predigt?

Zunächst vor allem aus dem Predigttext selbst und dem Gebet über dem Text. Daneben sind mir Kunst, Literatur und Musik als Inspiration sehr wichtig geworden. Die Größe, Macht und Herrlichkeit Gottes kann ich natürlich textlich fassen, aber ich kann auch das „Te Deum“ von Bruckner hören, da kriege ich ein besseres Gefühl dafür, was es bedeutet, wenn Himmel und Erde dem Schöpfer zujubeln. Wenn die Engel jubeln. Das ist dort Musik geworden.

Im Studium habe ich viel Thomas Mann gelesen. Er beschreibt unglaublich tiefgehend die Abgründe und Sehnsüchte der Menschen. Literatur erschafft ja ein Bild von etwas oder bringt es zur Sprache. Das schult das Verständnis.

Würden Sie sagen, dass das Gegenstück zu den menschlichen Abgründen und Sehnsüchten die Hoffnung ist, die der Glaube und die Bibel liefern?

Ja, das würde ich so sagen.

Was sich in Literatur und Kunst und im ganz normalen Leben findet, lässt sich mit dem zusammenbringen, was die Bibel Sünde nennt. Also die Absonderung von Gott und alles, was passiert, wenn ich mich von ihm entferne. Ein ganz alltägliches Beispiel ist Neid. Er ist deshalb Ausdruck der Abkehr von Gott, weil ich in dem Moment nicht darauf vertraue, dass der Vater mir alles gibt, was ich brauche und dass er mich so gewollt hat. Ich zweifle daran. Dem Entgegen steht die Erfahrung, dass Christus mich da rausreißen kann und zurückträgt, dort wo ich eigentlich hingehöre, nämlich zum Vater. Das ist Gnade. In den theologischen Begriffen „Sünde“ und „Gnade“ steckt so viel Leben.

Wenn sie kurz beschreiben müssten, was Glaube für Sie bedeutet, wie würden Sie das tun?

Dass ich Jesus vertraue und mich ganz vom ihm leiten lasse. Dieses Verhältnis hat die Form einer Liebesbeziehung. Ich kann mich aus dieser Beziehung heraus selbst entdecken und herausfinden was meine Bestimmung ist: Mit Gott und aus ihm heraus zu leben und dies als die Erfüllung meiner Existenz zu begreifen. 

Vielen Dank für Ihre Offenheit und dass Sie sich für dieses Gespräch Zeit genommen haben.

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