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Begegnungstag für Aussiedler in Roßwein
31. August 2024
Landesbischof Bilz: Ohne Angst - Durch Gottes Geist gesegnet zu sein
ROSSWEIN - Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens hatte am Sonnabend, 31. August 2024 zum Begegnungstag für Aussiedler nach Roßwein im Kirchenbezirk Leisnig-Oschatz eingeladen. Gekommen waren ungefähr 400 Teilnehmende aus Sachsen und angrenzenden Regionen, die von Superintendent Dr. Sven Petry und dem 2. Stellvertretenden Bürgermeister Frank Trommer in der Roßweiner Marienkirche begrüßt wurden. Landesbischof Tobias Bilz predigte an diesem Tag zum Aussiedlertag unter dem Motto „ZusammenHalten“.
Superintendent Dr. Petry begrüßte die Besucher und stellte kurz den Kirchenbezirk mit seinen rund 26.000 Gemeindegliedern und dessen großer Ausdehnung von südlich der A4 bis zum Norden am Rand der Dübener Heide vor. Die Stadt und Region liege im Zentrum Sachsens und zugleich zwischen den großen Zentren von Chemnitz, Dresden und Leipzig. Das Zusammenhalten sei hier nicht einfach und tägliche Beschäftigung, sagte er. Umso wichtiger sei es aus christlicher Sicht, sich in der Mitte des Glaubens zusammenzufinden, wie heute hier.
Als Vertreter der Stadt Roßwein verwies Frank Trommer ebenfalls auf die zentrale Lage der Stadt, aber auch auf die Festwoche zu 800+3 Jahre Stadt Roßwein nächstes Jahr Mitte Juni. Wir seien verbunden mit der jeweils eigenen deutschen Familiengeschichte in uns und brächten sie in die Gemeinschaft ein. Sie könnten wir aber nur im gegenseitigen Austausch kennenlernen, so Trommer. Aber jede Geschichte sei eine eigene Geschichte, die es Wert sei, an diesem Tag eingebracht zu werden. So wünschte er allen Teilnehmenden „Neugier, Interesse, Empathie, aber auch Fröhlichkeit zu diesem Treffen in Roßwein.
Beim Gottesdienst, der liturgisch vom Roßweiner Pfarrer Dr. Heiko Jadatz und Teilnehmenden gestaltet wurde, sang der Chor der Kirchgemeinde im Wechsel mit der Gemeinde und der stattliche Posaunenchor mit seiner 125-jährigen Tradition erfüllte den Kirchenraum mit eigenen Klängen, bevor im Altarraum beispielhaft mit der Weltkugel auf die Notwendigkeit des weltweiten Zusammenhalts von Menschen in jeweils ihrer Heimat hingewiesen wurde. Das Akkordeon für Musik stehe genauso für verbindendes wie der Samowar für Gemeinschaft sowie die Bibel, die weltweite ökumenische Gemeinschaft im christlichen Glauben darstelle.
Landesbischof Tobias Bilz fragte in seiner Predigt nach dem, was eigentlich uns als Menschen leite? So könnte uns etwas nötigen oder wir würden etwas aus unseren Werten ableiten. Die Werte könnten Freiheit und Frieden sein. Nach Umfragen stehe in Deutschland aber die Sicherheit an erster Stelle. Menschen ließen sich somit durch Umstände und Werte leiten und er nannte mögliche fünf innere Antriebe dafür: Es heiße, perfekt zu sein, beliebt zu sein, stark sein und nicht zu jammern, streng zu sein, aber auch schnell. „Haben Sie sich wiedererkannt?“, fragte der Landesbischof.
Aber, welche „Antreiber“ würden aus dem christlichen Glauben kommen bzw. sei die Stimme Gottes?
Vielleicht helfe die Vorstellung, sich als Tochter oder Sohn des Himmels zu betrachten. Gott sage, er sei anders als die weltlichen Väter, denn er nehme jeden an und liebt ihn, trotz aller Fehler und scheinbaren Mängel. Er wolle froh und frei machen. „ZusammenHalten“ bedeute, „Gott ist zu mir gut, so kann ich auch gut zu anderen sein“. Daraus folge, dass wir nicht aus Furcht und Angst handeln müssten, folgert der Landesbischof. Der Glaube befähige und helfe im Vertrauen auf die Stimme Gottes zu hören. „Schwierigkeiten verbinden uns mit Gott und mit anderen Menschen“, so Bilz. „Glauben wir nicht, dass, wenn was Schlimmes passiert, wir bestraft sind.“ Es diene vielmehr zur Mahnung und als Herausforderung.
Er glaube an die ausgleichende Gerechtigkeit Gottes. Es sei in dieser Welt nicht möglich, vollkommen zu sein und Gerechtigkeit herzustellen, wie es vielfach versucht wurde. Das werfe die Frage auf, was wir von den [Landtags]Wahlen erwarten würden? „Erwarten wir Gerechtigkeit und Frieden? Wie erkennen wir den Heiligen Geist?“, fragte der Landesbischof. Für ihn liege die Antwort in der Zusage im Zusammenhang mit dem Gesagten, dass im Glauben darauf vertraut werden dürfe, durch Gottes Geist gesegnet zu sein.
Nach dem Lied „Gut, dass wir einander haben“ erfolgte die „Staffelstabübergabe“ und damit die Verantwortung für die Vorbereitung der Begegnungstage in der Landeskirche vom ehemaligen Referenten für ökumenische Beziehungen, Friedemann Oehme, offiziell an seine Nachfolgerin Helena Radisch. OKR i.R. Oehme war im Landeskirchenamt gut 20 Jahre auch maßgeblich mit der Vorbereitung und Begleitung der Begegnungstage befasst. Unter Beifall würdigte Landesbischof Bilz die Verdienste Oehmes u.a. in der Vorbereitung der vergangenen Aussiedlertage und wünschte der „hochengagierten Nachfolgerin“ gutes Gelingen und Gottes Segen für ihre Arbeit. Er übergab ihr Tee mit dem Namen „Kraftquelle“.
Ministerpräsident Michael Kretschmer zeigt sich dankbar für die letzte Stunde der Ruhe nach den Anspannungen im wochenlangen Einsatz. Er sprach seine Dankbarkeit über die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit aus, was den Kirchen die Möglichkeit einräumten, ihre Gedanken und Wertvorstellungen einbringen zu können, um gemeinsam Verbindendes zu befördern. Um das Wissen, dass wir nicht perfekt seien, sollten wir dennoch versuchen, die Liebe in den Mittelpunkt unseres Lebens zu setzten, meinte Kretschmer. Für Sachsen und diese Region hoffe er, dass sie offen und mutig sei, voranzuschreiten.
Ebenfalls zum Gottesdienstende und den musikalischen Beiträgen vom Posaunenchor Roßwein und dem Aussiedler-Chor „Kalinka“ aus Weißwasser überbrachten auch die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Natalie Pawlik (MdB), sowie der 2. Kreisbeigeordneter Jörg Höllmüller (Landkreises Mittelsachsen) ihre Grußworte.
Die Bundesbeauftragte dankte allen, die diesen Tag ausgerichtet hätten, um gemeinsam in den Dialog zu treten. Sie habe selbst die Kirche als helfende Gemeinschaft erlebt, nachdem sie als Sechsjährige aus Sibirien nach Deutschland kam und hier beheimatet wurde. Die Anfangszeit sei für viele schwer gewesen und man fühlte sich nicht willkommen, aber mit der Zeit ginge es doch. Sie habe gelernt, an das Gute zu glauben und die Schaffenskraft des Menschen, sagte Frau Pawlik.
Jörg Höllmüller hieß die Teilnehmenden im Namen des Landkreises willkommen im „Herzen Sachsens“. Die Geschichten der Aussiedler hätten neue Impulse gegeben, auch bei ihm, als er seit den 1990er Jahren mehrere Kontakterfahrungen gehabt habe. Auf die Gemeinschaft käme es an, denn „zwei haben es besser als einer alleine“, sagte er. Das bedeute, Menschen mitnehmen und Zusammenhalt mit allen gemeinsam fördern. Er erinnerte auch an den Beginn des 2. Weltkrieges vor 85 Jahren, der so viel Unheil brachte und für uns Mahnung sei. Er wünsche sich, dass Sachsen auch ein Ansiedlungsort für Menschen aus anderen Ländern werde.
Nach dem Gottesdienst warteten ein Festzelt und Ausgabestationen für die Essenversorgung auf die Teilnehmenden. Währenddessen gingen der Ministerpräsident und der Landesbischof zum Bürgerhaus, in dem sie jeweils um den Eintrag in das Goldene Buch gebeten waren. Sie blieben noch zum Kaffee und erfuhren von diesem Sozialen Ort in Sachsen, der ein niederschwelliges Angebot an Hilfeleistungen für Bedürftige der Stadt hat und mit anderen Partnern den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördere. Madlen Trienitz und Astrid Sommer arbeiten zusammen in diesem Haus, das sich u.a. auch mit der Kirchgemeinde vernetze, sagten sie zu den Gästen. Ihr Haus der Begegnung und Begleitung würde als Projekt sehr von der Stadt unterstützt. Die beiden hoffen, dass die Projektförderung von Land und Kommune erhalten bleibe, da viele andere Angebote der Stadt und von Einrichtungen bereits weggebrochen seien.
Die Stadt Roßwein, der Landkreis Mittelsachsen, die Diakonie Döbeln und die Diakonie Rochlitz unterstützten den Begegnungstag als Kooperationspartner. Wie in der Vergangenheit gab es auch in diesem Jahr ein vielfältiges Programm für Kinder und Erwachsene auf dem Markt. Dort war auch die Hauptbühne aufgebaut sowie der Markt der Möglichkeiten mit verschiedenen Ständen von Initiativen und Vereinen.
In der Winterkirche von St. Marien gab eine Ausstellung allen Interessierten Auskunft über die wechselvolle und meist bittere Geschichte der Deutschen in Russland. Das Bühnenprogramm auf dem Markt mit Chören, Tanzgruppen und Interviews begann mittags, die von Pfarrer Jan Schober und Tatjana Jurk moderiert wurde. Gleichzeitig wurden Besuche auf dem Kirchturm, im Heimatmuseum sowie eine Fahrt zur historischen Dampfmaschine Roßwein angeboten.
Zur früheren Decken- und späteren Textilfabrik brachte ein Pendelbus der Diakonie die Besucher, die am Eingang von Enrico Korth empfangen wurden. Der Vorsitzende des Dampfmaschinenvereins verwies auf die Besonderheiten der Hanomag-Dampfmaschine (1911) und der „Lengenfeld“-Dampfmaschine (1931) aus Zwickau. Sie liefen noch bis 1978 bzw. 1976. Ursprünglich trieben sie 66 Textilmaschinen über Transmissionsriemen an. Nach fast hundert Jahren musste 1991 die Produktion in der Textilfabrik eingestellt werden. 2006 wurde der Verein zur Rettung wenigstens des einzigartigen Industriemonuments der Halle mit den Maschinen gegründet. Dreimal im Jahr wird zu besonderen Anlässen die Hanomag-Dampfmaschine mit Originalkessel in Gang gesetzt. In einer Woche zum Denkmaltag am Sonnabend und Sonntag (6./7.09.) ist es wieder soweit. Viele Besucher sind beim Dampfmaschinenverein Roßwein herzlich willkommen.
Nach einem gemeinsamen Abschluss an der Bühne auf dem Markt endete der diesjährige Begegnungstag. Zum nächsten Aussiedlertag wurde für 2025 in das westsächsische Werdau eingeladen.
Die Veranstaltung wurde durch den Freistaat Sachsen mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushalts.
Der Begegnungstag für die in Sachsen lebenden Spätaussiedler hat eine lange Tradition. Seit 1996 fand einmal im Jahr ein solches Treffen an unterschiedlichen Orten auf dem Gebiet der sächsischen Landeskirche statt – nur während des Hochwassers 2002 und während der Coronapandemie wurde er jeweils abgesagt. Der Begegnungstag im letzten Jahr in Großenhain stand unter dem Titel „Von Hoffnung lesen“.
Seit der Friedlichen Revolution 1989 sind über 2,5 Millionen Aussiedlerinnen und Aussiedler, vorwiegend aus der ehemaligen Sowjetunion, nach Deutschland gekommen. Über 43 Prozent gaben an, evangelisch zu sein.
Dabei lagen die Hauptzuzugsjahre in den 1990er und zu Beginn der 2000er Jahre. Danach gingen die Zahlen der Zuzüge nach Sachsen bei den Spätaussiedlern deutlich zurück und lagen zwischen 100 und 350 Personen pro Jahr. Seit Kriegsausbruch vor zwei Jahren verlängerten sich die Wartelisten der Antragstellenden aufgrund der Kapazitätsbegrenzung an der Deutschen Botschaft in Moskau.
Weitere Informationen zur Aussiedlerarbeit der sächsischen Landeskirche und früheren Begegnungstagen findet man unter https://www.evlks.de/handeln/migration-und-integration/aussiedler