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Erinnerung an Jahrhundert-Hochwasser vor 20 Jahren


04. August 2022

Dankbarkeit für Hilfe und Vorkehrungen für erneute Hochwasser-Situationen

DRESDEN – Angesichts der derzeit anhaltenden Trockenheit und der verlustreichen Flächenbrände in der Sächsischen und Böhmischen Schweiz werden für viele Menschen entlang der Elbe und ihren Zuflüssen Erinnerungen an das extreme Hochwasser von vor 20 Jahren wach. Denn, was heute zu wenig, war Mitte August 2002 in kurzer Zeit zu viel Wasser, das im böhmischen Becken und im Erzgebirge niederging und Sturzfluten in den Flüssen verursachte. Diese Katastrophe war damals ebenfalls grenzüberschreitend.

Oberlandeskirchenrat Dr. Thilo Daniel, der 2002 Pfarrer zweier Kirchgemeinden an der Elbe zwischen Meißen und Dresden war, macht deutlich: „Seit 2002 ist uns bewusst, was solche extremen Wetterlagen für Schaden anrichten können. Als Kirche stehen wir vor zwei Herausforderungen: Wir haben den Auftrag die Schöpfung zu bewahren und – im Falle solcher extremen Lagen, wie es die Brände dieses Jahres wieder sind – den betroffenen Menschen mit unserer Seelsorge und mit tatkräftiger Hilfe, wie sie damals von der Diakonie geleistet wurde, beizustehen.“

In den Gottesdiensten der Kirchgemeinden an Elbe, Mulde und anderen Flüssen wird in diesem August an die Jahrhundertflut gedacht werden. Die Kirchgemeinde Grimma veranstaltet zu diesem Anlass ein Gedenkkonzert in der Frauenkirche Grimma am 13. August um 20:00 Uhr mit J.S. Bachs Orgelmesse, in dem an das Hochwasser erinnert und jenen gedankt wird, die in den Tagen der Not mit Spenden und tätiger Aufräumarbeit zur Seite standen.

In Dresden-Laubegast wird auch in diesem Jahr wieder ein „Inselfestgottesdienst“ am 21. August um 10:00 Uhr in unmittelbarer Elb-Nähe (Laubegaster Ufer Nr. 17) gefeiert. Mit dem Laubegaster Inselfest und dem Inselfestgottesdienst am Laubegaster Elbufer ist seit dem Hochwasser 2002 immer Mitte August an das Jahrhunderthochwasser erinnert worden, welches den Dresdner Stadtteil Laubegast komplett mit Wasser umschlossen hatte.

Neben den Erinnerungen an die zerstörerische Kraft des Wassers denken viele Betroffene auch mit großer Dankbarkeit an die Hilfe und Unterstützung, die sie erlebt haben. Der Dresdner Superintendent Christian Behr, damals Pfarrer in Grimma, erinnert sich: „Am 13. August 2002 verwüstete das Hochwasser die gesamte Grimmaer Altstadt. Dazu gehörten vier kirchliche Gebäude wie die Frauenkirche in Grimma, die altehrwürdige Superintendentur mit der Elisabethkapelle aus dem 13.Jahrhundert, das Pfarrhaus, welches sich direkt an der Mulde befindet und das Kirchgemeindehaus.“

Aus der Frauenkirche hätten 40 Personen mit Booten evakuiert werden müssen. Nachdem das Wasser weg und die Zerstörung überall sichtbar war, sei die Frauenkirche Andachtsort und Helferzentrum zugleich gewesen. „Ein Koch bot über Wochen für umliegende Bewohnerinnen und Bewohner ein Mittagessen an. Es kamen auch Menschen, die bisher nie eine Kirche betreten hatten.“ Ein Pfarrer aus Leipzig habe damals das Seelsorgezentrum Frauenkirche organisiert, in dem über Wochen Ehrenamtliche aus ganz Sachsen telefonisch und persönlich erreichbar waren. „Denn es genügte nicht, nur zwei bis drei Tage Notfallseelsorge anzubieten. Die Menschen brauchten über Monate Zuspruch und Hilfe.“

Deshalb seien auch in den Wochen nach dem Hochwasser alle betroffenen Haushalte in Grimma durch Ehrenamtliche der Kirchgemeinde besucht worden. „Für die Kirchgemeinde, ihre Mitarbeitenden und die Gemeindeglieder verband sich mit dem Hochwasser und dessen Aufarbeitung auch ein Prozess der Zuwendung zu Gemeinwesen und Kommune. Anders herum war für viele Kirchenferne zu spüren, dass eine Kirchgemeinde praktisch hilft, sich in den gesellschaftlichen Diskurs mit einbringt und ihre Gebäude und Ressourcen für alle zur Verfügung stellt.“, erinnert sich Christian Behr.

Auch bei Renate Henke, damals Pfarrerin in den Kirchgemeinden Lorenzkirch und Gohlis an der Elbe, sind die Erinnerungen noch sehr präsent: „Die Kirchen waren beide gerade frisch renoviert worden. Ich sehe noch unsere damalige ehrenamtliche und treue Kirchnerin in Gohlis vor mir, die beim ersten Gottesdienst in der zerstörten Kirche bittere Tränen vergoss.“

Man habe dann mit der Renovierung von Neuem beginnen müssen, was ein großer Kraftakt für die Gemeinden gewesen sei. Außerdem sei auch das Pfarrhaus in Lorenzkirch samt Nebengebäuden und das Gemeindehaus in Gohlis komplett überschwemmt gewesen. „Wir haben viel tatkräftige Hilfe erfahren: aus ganz Deutschland und den damaligen Partnergemeinden. So waren sofort Helfer da, als wir wieder zurück in die Dörfer konnten und die Zerstörung durch das Hochwasser sahen, die unsere Vorstellungskraft überstieg.“, erinnert sich Renate Henke. Sie ist noch heute dankbar für die vielen Spenden, die man damals erhalten habe und an betroffene Familien weitergeben konnte: „Wir haben fast jeder Familie in den betroffenen Dörfern Patenschaften vermitteln können, es entstanden Freundschaften, die lange gepflegt wurden und teilweise noch heute bestehen.“

Auch die beliebte Hochzeitskirche „Maria am Wasser“ in Dresden-Hosterwitz stand unter Wasser. Viel sei damals zerstört worden, sowohl in und an der Kirche, als auch wertvolles Inventar, berichtet Kirchvorsteher Dr. Arnold Hertzsch. Da auch sehr viele Gemeindemitglieder und Bewohner selbst Wasser in ihren Häusern hatten, sei an der Kirche eine Kontaktstation ins Leben gerufen, die die Hilfe und die Helfer koordinierte. Dr. Hertzsch erinnert sich: „Helfer aus allen Teilen der Bundesrepublik reisten an - es war gleichermaßen ein Aufbruch und ein gemeinsames Tun. Ost und West vereint - das brachte viele wertvolle Berührungspunkte und Verständigung.“ Auch in Hosterwitz wurden Hilfsgelder über die Kirchgemeinde an Betroffene verteilt.

Aus dem Jahrhunderthochwasser 2002 habe man viel gelernt und konnte durch bauliche Veränderungen und die rechtzeitige Sicherstellung von Inventar beim nächsten Hochwasser 2013 die Schäden geringer halten. Es gebe aktuell einen Benachrichtigungsplan für den Fall eines erneuten Hochwassers, so Dr. Hertzsch. Ein fundierter Hochwassermanagementplan werde noch erarbeitet, in dem u.a. Maßnahmen in Abhängigkeit der Pegelvorhersagen bzw. der aktuellen Pegelstände beschrieben werden und dann auch erste Vorkehrungen für eine schnelle Umsetzung getroffen werden.

In Bad Schandau wurden 2002 die Kirchenbänke der St. Johanniskirche durch das Wasser komplett zerstört und danach durch eine flexible Bestuhlung ersetzt. Pfarrerin Dr. Luise Schramm sagt: „Dies hat sich bereits bewährt und wir konnten die Kirche bei den nachfolgenden Hochwassern 2006 und 2013 dadurch problemlos beräumen. Auch die nach dem Hochwasser 2002 erstellten Notfallpläne haben uns sehr geholfen, den Schaden beim Hochwasser 2013 gering zu halten.“

Nach der damaligen Flutkatastrophe war für die sächsische Landeskirche die vordringliche Aufgabe, die Menschen zu begleiten, die mit Schockerlebnissen und Verlusten zurechtkommen mussten. So wurde seelsorgerliche und praktische Hilfe seitens von Kirche und Diakonie angeboten.

Das Diakonische Werk in den Kirchenbezirken verteilten Spendenmittel als persönliche Nothilfe für Betroffene. Eine Sonntags-Kollekte für den Nothilfefonds der Diakonie wurde sachsenweit gesammelt und erbrachte eine Rekordsumme von 604.000 Euro. Auch Partnerkirchen und -gemeinden in ganz Deutschland ist für deren damalige Hilfe zu danken.

Auf dem Gebiet der Landeskirche entstand mit dem Hochwasser eine Gesamtschadenssumme von gut 13,5 Millionen Euro bei 108 betroffenen Objekten. Schwerpunkte waren das Elbtal von Bad Schandau bis Riesa und das Tal der Mulde bei Grimma.

Große und kleine Spenden vor Ort und aus der Ferne, Gelder der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler (KiBa) mit Mitteln der EKD, von Partnerkirchen und staatlichen Zuschüssen ermöglichten eine zügige Sanierung der meisten Kirchen, Gemeindehäuser und sozialer Einrichtungen. Die weitaus größte Einzelspende aus dem Bankenbereich in Höhe von 200.000 Euro erhielt das evangelische Kinderhaus in Pirna von der Deutschen Bank Stiftung Alfred Herrhausen Hilfe zur Selbsthilfe.

Kirchgemeindehaus sowie das Pfarrhaus in Dresden-Laubegast standen im Keller und Erdgeschoss unter Wasser
Wasserstraßen im gleichen Dresdner Stadtteil (Foto: EVLKS)

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