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Hoffnung für die Erde leben
15. September 2024
Ökumenischer Abschlussgottesdienst in der Kreuzkirche
DRESDEN – Mit einem Abschlussgottesdienst in der Dresdner Kreuzkirche und einem anschließenden Pilgerweg durch die Innenstadt ging am Sonntag, 15. September, das dreitägige Festival zu Ende. Es schloss den achtmonatigen Prozess „Hoffnung für die Erde leben“ ab, der deutschlandweit an 80 dezentralen Veranstaltungen das zurückliegende Wochenende mit Themen des sogenannten Konziliaren Prozesses (Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfung) vorbereitete und neue Aspekte diskutierte und aufgriff.
Hier flossen die Erfahrungen aus den Veranstaltungen der dezentralen Projektphase zusammen, die im März in Fulda mit der 254. Delegiertenversammlung der 25 Gast- und Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) begann. Im Festgottesdienst begrüßte Superintendent Christian Behr die Besucher und verwies auf die Fragilität des Lebens angesichts einstürzender Brücken und drohenden Hochwassers. Er erinnerte an die Ökumenische Versammlung vor 35 Jahren an diesem Ort und an den kürzlich verstorbenen Friedrich Schorlemmer, der hier zu den Menschen gesprochen habe.
Für den orthodoxen Erzpriester Radu Constantin Miron, Vorsitzende der ACK in Deutschland, könnte der Gottesdienst Höhepunkt des Festivals am Wochenende werden. Pfarrer Fabian Brüder, Ev.-Reformierte Gemeinde Dresden und Vorsitzender der ACK Sachsen, erinnerte auch an die Anfänge des Konziliaren Prozesses 1983 und an die „Versammlungen, die hier Geschichte gemacht hätten“. „Mit diesem Treffen und diesem Gottesdienst verbinden wir uns mit der weltweiten Ökumene“, so Prüfer. In den drei Predigtimpulsen griffen Erzpriester Miron, Landesbischof Friedrich Kramer, Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und Henriette Greulich, EKD-Synodale, Studentin für Politik und Verfassung in Dresden, die drei Kern-Themen auf:
Erzpriester Miron verglich die Gerechtigkeit mit einem Kuchen, der gerecht verteilt werden solle, auch, wenn es Menschen geben, die mehr vom Kuchen abhaben wollten. Im Unterschied zum Menschen sei Gott fest und verlässlich und letztlich Anker für die menschliche Gerechtigkeit. Es bedarf kontinuierliches Handeln von Christinnen und Christen, die geduldet auf dem Weg seien und beharrlich auch für die Schöpfungsgerechtigkeit eintreten sollten. Um den Kuchen gerecht zu teilen bedarf es tauglicher Instrumente wie ein wachsames Auge, ein scharfes Messer und einen Kuchenheber, damit jeder das gleiche Stück abbekommen könne. Wahre Gerechtigkeit schaffe letztlich auch Frieden, so der Erzpriester.
Landesbischof Kramer griff das Stichwort Frieden auf und verband es mit „Freude“. Freude, wie damals nach den Friedensgebeten und den politischen Veränderungen, die zum Verschrotten der Panzer führten. Wie stehe es heute um Freude und Frieden? In dieser Situation bedeute es viel, mit Freude an Jesus und den Seligpreisungen festzuhalten, Waffen und Aufrüstung seien dagegen kein Weg, mahnte er. Bischof Kramer las einen Brief für Kinder vor, der damals am Ende der Ökumenischen Versammlung, deren Anliegen erklären sollte. Zentrale Aussage war und bliebe, friedenstreu zu bleiben, fröhlich auf die Hoffnung zu setzen.
Henriette Greulich aus Dresden hob in ihrem eindrücklichen und sehr ausformulierten Predigtimpuls die Anliegen der jungen Generation mit ihren Ängsten und Wahrnehmungen angesichts des Umgangs der Menschen mit der Schöpfung hervor. Sie sprach sich mehrfach dafür aus, geduldig in der Bedrängnis zu sein und den Samen der Veränderung zu säen, auch angesichts mäßiger Ernte. Aufstand der Herzen bedeute Beharrlichkeit im Gebet, um damit Licht für die Welt zu sein. „Freut euch in Hoffnung“, so Henriette Greulich. Es gelte den jungen Menschen eine Stimme zu geben, die die Zukunft noch vor sich haben und in ihren Händen halten.
Vorträge, Podien, Workshops und geistliche Impulse
Am Wochenende vom 13.-15. September trafen sich in Dresden die rund 150 Teilnehmenden aus dem gesamten Bundesgebiet und dem europäischen Ausland zu Veranstaltungen in den Dresdner Hauptkirchen, sowie im Haus der Kirche und an öffentlichen Orten der Stadt. U.a. waren dabei der Internationale Wissenschaftler Prof. Dr. Fernando Enns, mennonitischer Friedensforscher an der Universität Hamburg und Amsterdam, Prof. Dr. Wolfgang Lucht vom Klimafolgenforschungsinstitut in Potsdam, Dr. Déogratias Maruhukiro von der Theologischen Fakultät an der Universität Freiburg, die anglikanische Bischöfin aus Huntingdon in der Diözese Ely (UK) und Vizepräsidentin der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), Dr. Dagmar Winter, sowie Dr. Christina Horváth-Stenner aus Wien, Beraterin der OSZE-Vorsitzenden zu Friedensbemühungen in der Ukraine, Moldau, Südosteuropa und Vorderasien.
Beginn am Freitagnachmittag in Gesprächsrunden
Begonnen hat das dreitägige Abschlusstreffen am Freitagnachmittag in der Dresdner Dreikönigskirche mit Grußworten vom ACK-Vorsitzenden Erzpriester Radu Constantin Miron, Pfarrer Fabian Brüder, Vorsitzender der ACK Sachsen und Jerry Pillay, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK).
Es folgten ein Gespräch mit Dr. Randi Gontrude Weber und Pfarrer i.R. Klaus Vesting, Die beiden ehemaligen Delegierten der Ökumenischen Versammlungen 1988/89 in der DDR äußerten ihre Wünsche und Erwartungen an die Tagung.
Dem schloss sich ein sogenanntes Sofagespräch zu Gerechtigkeit, Frieden, Schöpfungsbewahrung an, u.a. mit Dr. Annalena Schmidt, Projektleiterin „Demokratie gewinnt“, Diakonie Sachsen, Dr. Déogratias Maruhukiro (Freiburg), Koordinator des Clusters Friedensarbeit und Research Associate am AB Caritaswissenschaft und Christliche Sozialarbeit, Vorsitzender des Vereins RAPRED-Girubuntu e.V. und Ko-Initiator der Girubuntu Peace Academy, und Bischöfin Dr. Dagmar Winter (KEK). Moderiert wurde die Runde von Dr. Thomas Arnold. Der römisch-katholische Theologe, arbeitet im Leitungsstab im Sächsischen Staatsministerium des Inneren.
Zudem wurden aus einer Fülle eingereichter Workshop-Ideen ein vielfältiges Workshop-Programm zusammengestellt. Es umfasst öffentliche Lesungen in der Fußgängerzone, politisches Improtheater genauso wie kreative Angebote mit Pinsel und Farbe für große und kleine Hoffnungssuchende. „Die Themenvielfalt und das Engagement bundesweiter Initiativen hat uns sehr gefreut und gezeigt, dass die Themen Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfung in unzähligen kirchlichen und außerkirchlichen Gruppen bearbeitet werden und verankert sind, berichtet Helena Radisch, Referentin für Ökumenische Beziehungen in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, die in der Steuerungsgruppe das Abschlussfestival mit vorbereitet hat. „Letztlich fiel es uns wirklich schwer, aus den zahlreichen Bewerbungen einzelne Workshops auszuwählen,“ gibt die junge Ökumenikerin Einblick in die Vorbereitungen.
Sonnabend mit drei Themenblöcken und Workshops
Die drei Kernanliegen des Konziliaren Prozesses wie Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung wurden am Sonnabend in der Dresdner Dreikönigskirche aufgegriffen und auf die heutige und aktuelle Situation gespiegelt: So befasste sich am Vormittag ein Panel zu Hoffnung und Gerechtigkeit mit christlichen Impulsen für Demokratie und Menschenwürde angesichts des zunehmenden Rechtsextremismus. Ausgehend von der Erkenntnis, dass kirchliche Warnungen vor einem Erstarken antidemokratisch-rechtsextremer Kräfte in Deutschland und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit trotz eindeutiger Positionierungen nicht dazu führten, dass die Zustimmung zu rechtsextremen Positionen bei breiten Kreisen der Bevölkerung geringer werden, wurde in diesem Panel danach gefragt, in welchen Kontroversen die Gesellschaft und mit ihr die Kirche stecken, dass selbst eindeutige Warnungen so wenig Wirkung zeigten. Es folgten Analysen, Vorstellungen von betroffenen- und lokalpolitischen Perspektiven und was konkret getan werden kann, damit die Entwicklung umgekehrt werden kann
Im zweiten Panel ging es beim Thema "Hoffnung auf Frieden und Sicherheit für alle - statt Hass, Vergeltung und Rache durch immer mehr (militärische) Gewalt". So habe die Logik militärischer Konfliktbearbeitung mit ihren sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen derzeit Vorrang vor anderen Konzepten der Konfliktprävention und -bewältigung; nationales und militärisches Denken und Reden überwiege. Doch führt das aktuelle Aufrüsten und das Festhalten an nuklearer Teilhabe zu mehr menschlicher Sicherheit?, fragten die Teilnehmenden. Christinnen und Christen sollten dem Konzept der militärischen Sicherheit etwas entgegensetzen. So fordere ja Jesus auf, die Feinde zu lieben, das Böse mit dem Guten zu überwinden. Also ging es in der der Diskussion Alternativen zum gegenwärtigen System der Sicherheit durch militärische Aufrüstung und Abschreckung und für kooperative Sicherheitssysteme mit entsprechenden Erfahrungen mit alternativen Ansätzen
Beim dritten Grundsatzthema (Panel 3) ging es um die „Hoffnung auf einen gerechten Wandel: anders wachsen in Zeiten von ökologischen Krisen“. Jedes Jahr erinnere der Erdüberlastungstag daran, dass die Erdbevölkerung die natürlichen Ressourcen immer schneller verbrauche. Ohne eine Reduktion des Konsum- und Produktionsniveaus von Energie und Ressourcen vor allem in den reichen Ländern im globalen Norden bleiben die Klimaziele unerreichbar. Bereits vor Beginn der Diskussion war klar, dass die Begrenzung auf das „richtige Maß“ auch eine Frage globaler Gerechtigkeit sei, denn zum einen bedeutet Suffizienz, den Überkonsum und die Verschwendung zu senken, zum anderen aber ausreichend Energie und Ressourcen für die Sicherung der Grundbedürfnisse sicherzustellen. Am Ende ging es darum, welche Richtung können die Kirchen vorgeben und Visionen entwickeln, damit die Ethik des Genug mit Leben gefüllt werden könne.
Für die Organisation und Begleitung haben sich ein gutes Dutzend junge Erwachsene zu einem internationalen Steward-Team zusammengefunden und bildeten für das Wochenende eine ökumenische Gemeinschaft auf Zeit.
Der Konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ist eine der umfassendsten Erneuerungsbewegungen in der Geschichte der Weltchristenheit. Ausgerufen wurde er in der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Vancouver 1983. Doch seine Wurzeln sind eng mit der Geschichte des Evangelischen Kirchenbundes in der DDR sowie mit der Geschichte von Friedens-, Entwicklungs- und Umweltbewegungen in den westdeutschen Kirchen sowie weiterer Kirchen in der Weltökumene verbunden. Es gibt zahlreiche Überschneidungen zwischen den Themen des konziliaren Prozesses und der UN-Agenda für nachhaltige Entwicklung 2030, auf die seit 2015 die Arbeit vieler UN-Organisationen sowie nationaler Regierungen ausgerichtet ist. Auf der 10. Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe 2022 ist der konziliare Prozess in einer Fortschreibung des Pilgerwegs für Gerechtigkeit, Versöhnung und Einheit aufgegangen und mündete in einem Ruf nach einer „Ökumene der Herzen“.