Landeskirchenmusiktage 2019
Unter dem Motto "spielräume" kommen vom 23. bis 27. Oktober Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Dresden zusammen, um gemeinsam zu proben, zu lernen und Erfahrungen auszutauschen. Weiterhin steht Konzertantes auf dem Programm.
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Begonnen haben die Landeskirchenmusiktage 2019 unter dem Motto „spielräume“ am Mittwoch, 23. Oktober, mit der Anmeldung des Fachpublikums mit über 250 Teilnehmenden an Projekten, Konzerten und Seminaren im Dresdner Haus der Kirche (Dreikönigskirche). Die Landeskirchenmusiktage dienen nicht nur als kirchenmusikalische Leistungsschau sächsischer Prägung, sondern auch als willkommener Treffpunkt für Kirchenmusiker und Kirchenmusikerinnen, um sich fortzubilden und Erfahrungen auszutauschen.
Auftakt in der Dresdner Dreikönigskirche
Eine Andacht lud am Mittwochmittag die Teilnehmenden zu einer Andacht in die Dreikönigskirche ein. Oberkirchenrat Dr. Martin Teubner begrüßte die Teilnehmenden mit einem geistlichen Wort. „Lassen sie uns dankbar sein für diesen Tag“. Es sei ein köstlicher Moment des Zusammensein, sagte er, aber die gegenwärtige Perspektive in der Landeskirche könne nicht nur friedlich stimmen, sondern auch nachdenklich. Er hoffe hingegen auf ein fruchtbares und freudiges Miteinander in der Gemeinde, der Ökumene und der Partnerschaften, trotz aller Probleme.
Es gehe darum, die wertvolle Ressource der Lebenszeit und die Räume zu füllen. Damit sprach er das Motto-Lied dieser Tage an, das anschließend gemeinsam gesungen wurde. „Raum und Zeit“ heißt die Komposition von Marcus Steven zum Text von Christian Kollmar in drei Strophen.
Nach organisatorischen Erläuterungen und der Begrüßung rumänischer Gäste durch Landeskirchenmusikdirektor Markus Leidenberger begann im großen Saal die Chorprobe unter Leitung von Prof. Stephan Lennig zur „Messe solennelle“ von Hector Berlioz. Sie wird am Sonnabend, 26. Oktober, aufgeführt.
Am Abend des ersten Tages waren Gäste und Besucher zu einem öffentlichen Orgelkonzert in den Kulturpalast eingeladen. Der Titel „Drei Metropolen – drei Meister“ verwies auf Felix Mendelssohn Bartholdy mit der Sonate f-Moll op.65 Nr. 1 von 1841, auf Gustav Adolf Merkel mit der Sonate Nr. 2 g-Moll op. 42 von 1866 und auf Heinrich Reimann mit Ciacona f-Moll op. 32 von 1905. An der großen Eule-Orgel des Konzertsaals spielte Kreuzorganist Holger Gehring.
Seminare, Workshops und zwei Hochschulchöre im Konzert
Der Donnerstag, 24. Oktober, war bis zum abendlichen Konzert den Seminaren und Workshops vorbehalten. Für 20 Veranstaltungen lagen über 300 Anmeldungen vor, die mit ihrer jeweilig festgelegten Teilnehmerzahl gut besucht waren. Das Themenspektrum war, wie am Freitag, sehr breit. Es spiegelt letztlich das Berufs- und Tätigkeitsfeld eines Kirchenmusikers wider. An verschiedenen Standorten gab es praxisorientierte Fachseminare. Neben den Räumen der Hochschule für Kirchenmusik mit Kompositionskurs, Pop-Klavier, Harmonik, Stilistiken, Spielpraxis, Jazz- und Popchorleitung gab es beispielsweise in der Matthäuskirche Improvisationsunterricht. In der Turmkapelle der Dreikönigskirche ging es um Jazz- und Popchorleitung und im Bachsaal um Grundfragen der Chor- und Orchesterleitung mit Pro. Ekkehard Klemm.
Aus Anlass des 70-jährigen Bestehens der Hochschule für Kirchenmusik Dresden gestaltete der Dresdner Hochschulchor gemeinsam mit dem Chor der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik Halle am Donnerstagabend in der Dreikönigskirche ein geistliches Konzert. Auf dem Programm standen eine Auftragskomposition des Dresdner Komponisten und langjährigen Professors der Dresdner Musikhochschule, Günter Schwarze, der in diesem Jahr ebenfalls seinen 70. Geburtstag begehen konnte, sowie Werke von Johannes Brahms, Gottfried August Homilius, Matthias Drude u.a. Weitere Mitwirkende waren Katja Fischer und Katharina Salden (Sopran), Nanona Büttiger und Marie Bieber (Alt), Martin Strohhäcker (Orgel), Georg Wieland Wagner (Glasglocken und Pauken) sowie Blechbläser von Sinfonietta Dresden. Die Leitung hatten die Rektoren der beiden Hochschulen Stephan Lennig und Peter Kopp.
Die Komponisten der Werke, Prof. Matthias Drude, Christian Ridil und Günter Schwarze, waren persönlich zugegen und nahmen am Ende den Applaus der Besucher entgegen.
Große Probe, weitere Seminare und Gesprächsforum
Nach einem Geistlichen Impuls und dem Einsingen am Freitagmorgen, begann in der Dresdner Kreuzkirche die Probe der Teilnehmenden an den Landeskirchenmusiktagen für die Vesper am Sonnabend um 17:00 Uhr mit der Messe Solennelle von Hector Berlioz.
Dem schloss sich im Rahmen des Mittagsgebets die Nagelkreuzandacht in der Kreuzkirche an. Gestaltet wurde sie vom Gemeindereferenten René Prochotta, Hochschule für Kirchenmusik, unter musikalischer Begleitung von André Engelbrecht und Kantorin Theresa Haupt.
Am frühen Nachmittag suchten die Teilnehmer die von ihnen ausgewählten Seminare und Workshops auf. Neben den Räumlichkeiten des Vortages stand für eine Gruppe auch ein Besuch in der Sächsischen Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) auf dem Programm. Unter der Überschrift „So find ichʼs gut – Online-Suche zu Noten“ sollte den Fragen nachgegangen werden: Wie suche ich gezielt nach Werken, die zu meinen Aufführungsverhältnissen passen? Oder wie kann ich interessante unbekannte Werke entdecken? Wie finde ich gute und fundierte Informationen zu Werken und Komponisten, für meine Chorproben oder das Programmheft? Um solche und ähnliche Fragen ging es in diesem Workshop, und zwar ganz praktisch an Computer-Plätzen in der SLUB. Die Dresdner Musikwissenschaftlerin Dr. Katrin Bemmann, Arbeitsstelle Kirchenmusik, erläuterte die Herangehensweise, die Katalogisierung und die Nutzung.
Forum „Spielräume in neuen Gegebenheiten“
Zu einem Gesprächsabend über Auswirkungen der Strukturreform sowie der Bildung von großen Struktureinheiten mit Stellenkürzungen und deren Auswirkungen auf die haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden wurde in den Großen Saal im Haus der Kirche eingeladen. Der Konflikt- und Organisationsberater Reinhard John, der früher 25 Jahre als Kantor tätig war, moderierte das Gespräch: Die Frage sei, welcher Weg, für welche Region? Bei den Gegebenheiten, die nicht selbst gemacht seien, könne man vor der „Klagemauer“ verharren oder die Situation „Schönreden“. Es gelte einen Weg dazwischen zu finden, der möglicherweise Spielräume eröffne, die bisher nicht im Blick gewesen seien. Drei Gesprächspartner gaben aus ihren Erfahrungen heraus Statements zum städtischen und ländlichen Bereich ab.
Für Sigrid Schiel, Kirchenmusikerin in der Oschatzer Region, seien schon immer größere Räume bestimmend gewesen. Problematisch sei hier insbesondere die eingeschränkte Mobilität von Kindern und Jugendlichen zu Veranstaltungen und Angeboten. Sie hob die Bedeutung der Zusammenarbeit von Mitarbeitern hervor. Es sei noch wichtiger geworden, im Team zu arbeiten. Trotzdem gebe es für sie genug Freiheit ihre Arbeit zu gestalten und neue Ideen einzubringen. Sie riet, über alle Arbeit, nicht das Leben zu vergessen. Kirchenmusikdirektor Christian Kühne aus Löbau sieht seine Lausitzer Region zwischen den Grenzen der Nachbarstaaten und dem Gebiet der EKBO als sehr „speziell“ an. Abwanderung und Überalterung prägten die Gemeinden, für die ein Ausschuss des Kirchenbezirks ein Verbund von drei Struktureinheiten vorsehe.
Die kirchenmusikalische Arbeit denke in Kooperationen, beispielsweise zwischen Löbau und Zittau, sowie den Plan, Konzertprojekte auch im ländlichen Raum anzubieten. Hier sei er als KMD unterwegs. Er plädierte dafür, „nicht nur in Trauerarbeit hängen zu bleiben, sondern zu schauen, wo wir hin wollen“, sagte er. KMD Sandro Weigert vom Kirchenbezirk Dresden Mitte stelle auch in der Stadtregion Rückgänge fest. Für Planungen und Projekte seien langfristige Lösungen wichtig, „um nicht alle fünf Jahre die Richtung zu wechseln“. Deshalb sehe er die angestrebten Einheiten als Chance, aber die Rechtseinheiten müssten sich erst noch bilden. In der Verantwortung für die kirchenmusikalische Arbeit plädiere er für gemeinsame Gremien, um nicht Spielball der Kirchspiele zu werden. Zudem sprach sich Weigert für mehr Flexibilität in der Arbeit aus, beispielsweise für Kontakte zu Schulen, um Grenzen nach außen zu überschreiten.
Aus der Zuhörerschaft kamen verschiedentlich Fragen und Anregungen. So sprach man sich dafür aus, die Angebote (Chorarbeit), wo sie funktionieren, auch weiterhin funktionieren zu lassen, aber auch zu akzeptieren, dass mit weniger Personen auch weniger angeboten werden könne. Man sprach sich auch für mehr Freiräume aus, um mehr Begabungen freizusetzen. Obwohl die Statements und die Gespräche weniger kontrovers und pessimistisch verliefen, fragte ein Doppelfachstudent (Lehrer, Kantor), welche Zukunft ihn eigentlich im kirchlichen Dienst erwarte. Es wurde erwidert und Mut gemacht, dass es auch zukünftig auskömmliche Stellen gebe. Die Statistik zeige demnächst mehr Ruheständler als derzeit durch die Ausbildung nachrücken könne. Kantor Kühne habe drei offene Stellen, „man müsse nur kommen“. Um eine bessere Lobby zu haben und die Kirchenmusik zu stärken, ermunterte er seine Kollegen, sich mehr in Gremien, insbesondere bei den anstehenden Wahlen zur Landessynode einzubringen.
Höhepunkt der Landeskirchenmusiktage
Die "Messe Solenelle" von Hector Berlioz, dessen 150. Todestag die Musikwelt in diesem Jahr begeht, stand auf dem Programm der Vesper in der Dresdner Kreuzkirche am Sonnabendnachmittag, 26. Oktober. Mitwirkende waren Studierende der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden als Gesangssolisten, das Orchester der Hochschule für Musik (Einstudierung: Prof. Ekkehard Klemm), der Chor aus 140 Teilnehmenden der Landeskirchenmusiktage, Kreuzorganist Holger Gehring und Pfarrer Holger Milkau als Liturgen. Die Leitung der Aufführung teilten sich der Rektor der Hochschule für Kirchenmusik Dresden Prof. Stephan Lennig und Landeskirchenmusikdirektor Markus Leidenberger.
Die Vesper in der Kreuzkirche bildete den musikalischen Höhepunkt der von der sächsischen Landeskirche ausgerichteten Landeskirchenmusiktage. Hector Berlioz schuf seine „Messe solennelle“ 1824 im Alter von zwanzig Jahren als Auftragskomposition für die Kirche St. Roch in Paris. Nachdem die ursprünglich für den 28. Dezember 1824 geplante Uraufführung aufgrund katastrophaler Umstände in der Generalprobe nicht zustande kam (ein Großteil der Orchestermusiker war nicht erschienen und das vorliegende, von Chorknaben abgeschriebene Notenmaterial war so fehlerhaft, dass ein sinnvolles Proben nicht möglich war), fand die Uraufführung schließlich am 10. Juli 1825 in der Kirche St. Roch statt; es war die erste öffentliche Aufführung eines Werkes von Berlioz. Die Aufführung wurde zu einem großen Erfolg, der dem Komponisten viel Anerkennung einbrachte.
„Die Musik hat weite Flügel“ 1 – dieser markante Ausspruch von Hector Berlioz könnte, obwohl ursprünglich in einem ganz anderen Zusammenhang geäußert, auch auf die „Messe solennelle“ und vor allem auf das gesamte kompositorische Schaffen Berlioz’ bezogen werden. Insgesamt präsentiert sich die Messe als originelles Werk des jungen Berlioz voll mitreißenden Schwungs und voller überraschender Wendungen und geprägt von reizvollen instrumentalen Farben.
Von den weiten „Spielräumen“, die sich damit auftun, gibt das vielfältige Programm der Landeskirchenmusiktage ein lebhaftes Zeugnis. Und dass es dabei immer wieder gelingt, Grenzen zu überwinden – zwischen musikalischen Genres wie zwischen unterschiedlichsten Menschen – davon weiß wohl jeder Kantor zu berichten. So ist es schön, dass im Chorprojekt der diesjährigen Landeskirchenmusiktage und damit in der Vesper ein musikalisches Werk im Mittelpunkt steht, das gleich in mehrfacher Hinsicht „weite Flügel“ ausbreitet in neue „Spielräume“ und Grenzen überwindet – Grenzen des gewohnten Repertoiresund einer gewohnten Stilistik sowie auch Grenzen der Konfession.
Im Geistlichen Wort würdigte Pfarrer Holger Milkau das gewaltige Werk des damals Zwanzigjährigen. Es komme im besten Sinn mit großem Tamtam im Zusammenhang mit einem festlichen Ereignis, das gründlich vorbereitet und geprobt worden sei. Gerade in diesen Tagen sei es gut, dass es in der Landeskirche die Kirchenmusik gebe. In diesen Tagen, in denen eine tiefe Wunde klaffe. Für Christen und die Kirche sei die Osterbotschaft das entscheidende Ereignis. Diese Erlösungs- und Hoffnungsbotschaft eines neuen Morgen und Anfangs rechtfertige ein großes Tamtam.
Abschluss der Landeskirchenmusiktage mit Festgottesdienst
Mit einem beeindruckenden Fest- und Sakramentsgottesdienst am Sonntag, 27. Oktober, in der Dresdner Kreuzkirche gingen die fünftägigen Landeskirchenmusiktage 2019 zu Ende. In dem reich an kirchenmusikalischer Begleitung gestalteten Gottesdienst erklangen Lieder und Musik in Kompositionen und Bearbeitungen ehemaliger Rektoren (Christoph Albrecht, Wolfram Zöllner) der Kirchenmusikschule/Hochschule für Kirchenmusik Dresden sowie von Dozenten wie Herbert Gadsch, Matthias Drude, Marcus Steven und Komponisten aus Vergangenheit und Gegenwart. Zu hören waren auch Teile aus der Messe 2018 von Michael Schütz. Ein großer Chor aus Sängerinnen und Sänger der beiden Dresdner Kirchenbezirke setzten von der vollbesetzten Empore unterhalb der Orgel das klangliche Fundament im zweistündigen Gottesdienst. Begleitet und ergänzt wurde er durch Kreuzorganist Holger Gehring an der Jehmlich-Orgel und einem Posaunenchor.
Oberlandeskirchenrat Dr. Thilo Daniel predigte über das Heilungswunder am Teich von Betesda, wo Jesus einen Lahmen gesund machte, der nach 38 Jahren nicht die Kraft hatte, einen Platz in dem Teich zu bekommen. Immer, wenn ein Engel Gottes das Wasser mit seinen Flügeln berührte ging eine Heilwirkung aus. Durch Jesus konnte der zuvor Gebrechliche unabhängig davon aufstehen und ging in den Tempel. Dr. Daniel erläuterte, dass die Zeitangebe nicht zufällig sei, denn 38 Jahre habe die Wüstenwanderzeit für die Israeliten von Ägypten ins verheißene Land gedauert. Immer wenn sich die Verheißung an diesem Teich auftat, setzte ein Wettlauf der Menschen nach dem Heil ein.
Bei der Betrachtung aus heutiger Sicht, würden wir es eher anderen zuschreiben, als uns, wo wir gelähmt seien. Am Ende stand der Lahme fest da, weil er seine Stimme erhob. Er habe seine Sehnsucht ausgesprochen, dass er Hilfe brauche, so, wie unsere Sehnsucht nach Frieden und Freiheit auch die Stimme erheben sollte. Wir bitten in Krankheit und Tod und hofften auf ihn. Die Sehnsucht lässt alle einstimmen. Es bedarf keines Wettlaufes mehr. Unterschiedliche Meinungen könnten eine Stimme ergeben. Jeder in seiner Tonlage könne den Ton stützen, sagte Dr. Daniel angesichts der vielen Stimmen im Gottesdienst. Der Kern und das Fazit seien, dass es nicht nur darum gehe gesund zu sein, sondern im biblischen Sinne heil zu sein.
Zum Ausgang des Gottesdienstes richtete Landeskirchenmusikdirektor Markus Leidenberger seinen Dank an alle Helfer und Organisatoren, die nach einer dreijährigen Vorbereitungszeit diese Landeskirchenmusiktage möglich machten. Er dankte allen Unterstützern, den vielen Teilnehmenden und den Besucher und Gästen der Veranstaltungen. Er hob die Bedeutung der Kirchenmusik und ihre Bildungsverantwortung hervor. Die Aus- und Fortbildung der Kirchenmusiker sei so wichtig, wie auch der Glaube und die Kirche nicht ohne Wissen und Bildung auskämen. Die Kirchenmusik sei eine klangliche Äußerung des Glaubens mit Christus, sagte er. Damit sei Musik durch verantwortete Kirchenmusik gelebter und erfahrbarer Glauben. „Die Freude dieser Tage nehmen wir mit und geben sie an alle weiter“, so der Landeskirchenmusikdirektor.