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„Von Hoffnung lesen“


02. September 2023

Worte der Hoffnung auf einen gerechten Frieden

GROSSENHAIN – Der diesjährige Begegnungstag für Aussiedler fand am 2. September mit rund 400 Teilnehmenden in Großenhain statt, zudem die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens gemeinsam mit der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands eingeladen hatte.

Abgesehen von einer pandemiebedingten Pause zuletzt und während des Hochwassers 2002, fanden seit 1996 jährlich Begegnungstage an unterschiedlichen Orten auf dem Gebiet der sächsischen Landeskirche statt, im letzten Jahr in Dippoldiswalde. Die Kirchgemeinde, die Stadt Großenhain sowie die Diakonie Meißen als Kooperationspartner unterstützten den Begegnungstag.

Wie in der Vergangenheit gab es ein vielfältiges Programm für Kinder und Erwachsene in der Marienkirche und um die Kirche herum. Aufgrund des noch andauernden Kriegs in der Ukraine standen dabei vor allem nachdenkliche, besinnliche Töne im Vordergrund. In der Stadtkirche fanden Buchlesungen und Konzerte von Aussiedlerchören und einer kleinen Geigerin aus Syrien statt.

Der Begegnungstag unter dem Motto „Von Hoffnung lesen“ begann am Vormittag mit einem Ökumenischen Gottesdienst, der mitreißend vom Posaunenchor der Kirchgemeinde unter Leitung von Jörg Withulz musikalisch eröffnet und begleitet wurde. An der Orgel spielte Kantorin Stefanie Hendel. Der Aussiedlerchor Rjabinuschka aus Markkleeberg beteiligte sich ebenfalls stimmungsvoll am Gottesdienst. Superintendent Andreas Beuchel begrüßte die Besucher in Großenhain, wo der Begegnungstag schon zum dritten Mal stattgefunden und mit dem ersten Treffen vor 27 Jahren begonnen habe, sagte er.

Der Ökumene-Referent im Landeskirchenamt, Oberkirchenrat Friedemann Oehme, ging in seiner Predigt auf das Buchlesen ein, dass manchmal so spannend sein kann, dass man nicht damit aufhören wolle. „Wenn wir von Hoffnung lesen wollen, sind wir in der Bibel richtig“, sagte er. Die Wolga-Deutschen, die 1941 nach Sibirien deportiert wurden, hätten in ihr Trost und Halt gefunden. Die Bibel kenne viele Hoffnungsgeschichten, so auch die vom Äthiopier und Philippus.

Es folgte eine Lesung aus er Apostelgeschichte, in der Philippus dem Äthiopier, der einen Text aus Jesaja in der Hand hielt, die Bedeutung zu erklären versuchte. Es folgten Worte der Hoffnung durch Philippus, die auf Christus weisen würden. „Worte der Hoffnung auch auf einen gerechten Frieden“, so Oehme. Es sei die Vision bei Jesaja, ein Volk solle sich nicht über ein anderes Volk erheben und Krieg führen. Bei der heute zuweilen geäußerten Unzufriedenheit, werde schnell die Leidenszeit vergangener Zeiten vergessen, ob die Befreiung aus Straflagern oder aus der Unfreiheit zu DDR-Zeiten. Die Erinnerung daran könne Trost sein, Freude und Zuversicht, was Gott schenken könne, sagte der Ökumene-Referent.

Nach der Predigt dankte Oberkirchenrat Oehme der Stadt Großenhain, der Kirchgemeinde und der Diakonie Meißen-Großenhain sowie der vielen Helfer und Ehrenamtlichen für die Unterstützung des Aussiedlertages. Er kündigte die Kollekte an, die am Ausgang für die Ev.-Luth. Kirche im Europäischen Russland, Partnerkirche der sächsischen Landeskirche, gesammelt werden sollte. Sie solle u.a. der dortigen Kinderarbeit der Kirche dienen.

Es folgten Grußworte von Oberbürgermeister Sven Mißbach, dem sächsischen Beauftragten für Vertriebene und Spätaussiedler, Dr. Jens Baumann, und von Gabriele Fänder, Beauftragte für Gleichstellung, Migration und Integration im Landkreis Meißen. Der Großenhainer OB Mißbach dankte ebenfalls allen Organisatoren für die Vorbereitungen an diesem Tag. Er erinnerte an das Gesetz, das vor 70 Jahren verabschiedet wurde, durch das die Bundesrepublik die Verantwortung für alle deutschen Vertriebenen und Flüchtlinge aus anderen Ländern übernommen habe.

Alleine aus der damaligen Sowjetunion seien insgesamt über vier Millionen Menschen gekommen. In Folge der Jahre gab es eine Ausweitung von Regelungen und Gesetzen, die unmittelbare Auswirkungen auf das Leben von Familien gehabt hätten. Diese Menschen seien früher vielfach als Fremde, weil Deutsche, und später hier als Fremde, weil aus Russland kommend, angesehen worden. Den Angestellten und Mitarbeitenden dankte Mißbach dafür, dass sie die Gemeinsamkeiten und das Miteinander gefördert und damit für mehr Verständigung Brücken gebaut hätten.

Der sächsischen Aussiedler-Beauftragte Dr. Jens Baumann erinnerte ebenfalls an Krieg und Vertreibung, was weiterhin aktuell sei. Zunächst verwies er auf den Kriegsbeginn am 1. September 1939, dann hin zur Situation in der Ostukraine. Auch heute seien trotz allem Fortschritt die Fluchtursachen aufgrund von Kriegen nicht gelöst. Er kenne Schicksale von Wolga-Deutschen, die aber auch gut endeten mit Glück, Tatkraft und Glaube an sich selbst. Das gehöre zum Leben. Dazu käme die hohe Integrationsleistung von Vereinen, Kirchen und anderer Einrichtungen, den Zugezogenen eine Heimat zu geben. Der Freistaat brauche diese Menschen, aber Integration beruhe auf Gegenseitigkeit. Dr. Baumann machte auch auf Defizite in der Abweisung von Spätaussiedleranträgen und der drohenden Altersarmut aufgrund der Rentenreform und des Fremdrentengesetzes. Trotzdem, wer wünschte allen einen schönen Tag im Gespräch miteinander und er stehe selbst zur Beratung zu Verfügung.

Die Integrations- und Migrationsbeauftragte Gabriele Fänder aus Meißen bezog sich auf das Motto des Tages und sie sei sich sicher, dass an diesem Tag die Hoffnung dazu gehöre. Sie erzählte sehr persönlich aus ihrer Jugendzeit, als in ihrem Dorf in Mittelsachsen aus einem DDR-Gastarbeiter-Block Anfang der 1990er Jahre ein Aussiedlerheim geworden sei. Die Integration klappte gut und aus ihrer Arbeit als Jugendleiterin in der Kirchgemeinde seien Verbindungen entstanden, die zum Teil heute noch bestünden. Diese Erfahrung gebe Hoffnung. 
Nach den Grußworten wurde auf eine kleine Ausstellung mit Zeichnungen von Kindern aufmerksam gemacht, die in Riesa und Großenhain unter Anleitung des Diplom-Künstlers Falk Terrey entstanden sind. Die Kinder von Spätaussiedlern und Kindern aus der Ukraine zeichnetes von sich Porträts, die jeweils auf A4-Blättern an eine Bilderwand geheftet wurden.

Die Mittagspause fand zwischen Kirche und dem Gemeindehaus auf dem Kirchplatz in und an Zelten statt, wo es Verpflegung mit Borschtsch und Schaschlik gab. Gleichzeitung zeigten Kinder ihr akrobatisches Können auf Gymnastikmatten. Weiterhin wurden Stadtführungen, eine Turmführung und Gespräche u.a. am Stand des Gustav-Adolf-Werkes in Sachsen angeboten. Dazu konnten sich die Besucher Kaffee, Tee und Kuchen sowie Eis dazu kaufen. Der Versorgungsbetrieb mit seinen Mitarbeitenden war eifrig bei der Sache und packte kräftig zu. In dieser Zeit konnte auch der Werkstatt-Laden der Diakonie-Meißen in der Naundorfer Straße und das Stadtmuseum besucht werden.

In der Kirche ging es dann ab 13:30 Uhr mit einem Kulturprogramm aus Chorkonzerten mit dem Kalinka-Chor aus Weißwasser, Lesungen und dem Russischen Musiktheater EXPRESSION weiter. Den Musikchor Kalinka gibt es seit Anfang der 1990er Jahre und seit zehn Jahren als Verein organisiert, singen zwölf Frauen unterschiedlichen Alters auf zahlreichen Festen und Feiern in Sachsen und Brandenburg. Das Repertoire beinhaltet 400 Lieder aus Russland, Moldawien und Kasachstan. Das Musiktheater EXPRESSION besteht aus Profis und Laien mit Sängerinnen und Sängern aus den ehemaligen Republiken der Sowjetunion, die in Dresden eine Heimat gefunden hatten.
Nach einem gemeinsamen Lied wurden die Gäste des Aussiedlertages mit einem Reisesegen verabschiedet.

Der nächste Begegnungstag für Aussiedler wird für den 31. August 2023 in Roßwein geplant.

Oberbürgermeister Sven Mißbach (l.) und Oberkirchenrat Friedemann Oehme
(v.l.n.r.) OB Sven Mißbach, Migrationsbeauftragte Gabriele Fänder, Aussiedler-Beauftragte Dr. Jens Baumann Dr. Jens Baumann und Dipl.-Künstler Falk Terrey mit Jugendlichen der Malgruppe
Bücherstand vor der Kirche in der Stadt mit der ersten deutschen Volksbücherei (1828)

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