Bildhauer Friedhelm Schelter fertigte bisher zehn Bergmännische Krippenfiguren
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Dezember 2019
„Betrachter soll sich als Teil des Ganzen wahrnehmen“
Der Bildhauer Friedhelm Schelter (50) beteiligte sich ganz wesentlich an der Bergmännischen Krippe in der Annaberger Bergkirche St. Marien. Seit diese 2015 abgeschlossen wurde, fertige er weitere Figuren, welche im Krankenhaus und zukünftig in Museen, Besucherbergwerken und im Rathaus ihren Platz finden. Für ihn ist dies eine Möglichkeit die Weihnachtsgeschichte auf die Gesellschaft zu beziehen, denn er verbindet mit jeder seiner Arbeiten auch eine Aussage die zum Nachdenken anregen möchte. Detailliert sprach er darüber mit Romy Stein.
Wie sind Sie zur Figurenschnitzerei für die Bergmännische Krippe gekommen?
2001 hatte Dietmar Lang, der selbst Bildhauer ist, im Stadtrat die Idee etwas Spezielles für den Weihnachtsmarkt und die Stadt zu schaffen. Als er Leute suchte, die das Projekt mitgestalten, geriet er an vier Bildhauer etwa gleichen Alters unter denen auch ich war.
Die ursprüngliche Idee sah vor, die Figuren jeweils in Gruppen aufzustellen, um den Leuten den Weg durch Annaberg zu weisen, der schließlich zur Bergkirche und somit zur Heiligen Familie führt. Wir einigten uns auf 32 Personen, für die jeweils als Kollektivdarstellung Entwürfe entwickelt wurden. Wir wollten keine Anbetungskrippe, sondern Menschen in Bewegung, die im Annaberg des 19. Jahrhunderts mitten in der Stadt von der Geburt Christi überrascht werden.
Da ich die Heilige Familie entwarf, fertigte ich im ersten Jahr die stillende Maria. Ein Kollege gestaltete dazu zwei Bergleute. Als die drei Figuren fertig waren, merkten wir, dass sie zu wertvoll waren, um sie draußen aufzustellen. So fanden sie ihren Platz in der Bergkirche.
In den Folgejahren – bis zum Abschluss der Bergmännischen Krippe 2015 - kamen dann weitere Figuren hinzu?
Genau, jedes Jahr mindestens eine. Im Mittelpunkt stehen Maria, Jesus und natürlich Josef. Jede weitere Person hat Ihre Beziehung dazu. Verschiedene Figuren stellen auch Szenen untereinander dar. Zum Beispiel haben wir einen Bürger, der sich Hörer nennt. Ihm gegenüber steht der Rufer, ein Bergmann der gerade von unter Tage kommt. Ich habe das für mich so gedeutet, dass der Rufer der Angestellte ist und der Hörer meinetwegen der Stadtrat, der den ganzen Tag am Schreibtisch gesessen und nix mitbekommen hat. Und dann kommt der von unter Tage und ruft ihm zu: „in unserer Stadt ist der Heiland geboren“.
Die Krippe soll also auch zum Nachdenken anregen?
Wenn das passiert ist es natürlich das Beste. Es ist jedenfalls mein Wunsch, dass die Krippe bzw. die einzelnen Figuren beim Betrachter etwas auslösen. Wir haben auch schon erlebt, dass manche Menschen so berührt waren, dass sie geweint haben.
Gerade bei Krippendarstellung wünsche ich mir, dass der Betrachter sich als Teil des Ganzen wahrnimmt. Auch innerhalb der Gesellschaft ist es einfacher sich daneben zu stellen und zu beurteilen. Dann erhebt man sich aber über die anderen, weil man glaubt, man dürfe bewerten. Wenn ich aber Teil des Ganzen bin, muss ich mich damit auseinandersetzen und eine Position zu dem Ganzen entwickeln. Das halte ich für wesentlich.
Welche Gedanken verbinden Sie mit der aktuellen Figur, dem Kranken?
In dem Fall wollte ich, dass er freundlich, offen, aufgeschlossen und in Korrespondenz mit der Krankenschwester ist, die schon seit letztem Jahr im Erzgebirgsklinikum steht, wo er sich hinzugesellen wird. Er ist dafür dankbar, dass ihm geholfen wird. Er hat zwar sein Gipsbein, aber das kommt schon wieder in Ordnung.
Auch, wollte ich diesmal den Hilfebedürftigen in den Vordergrund rücken, denn für mich ist die Gestaltung von Krankenschwester und Bedürftigem ein Ausdruck dessen, dass Jesus sagt „Folgt meinem Beispiel“. Damit bringe ich auch die Aussage „Was ihr einem meiner Geringsten getan habt, habt ihr mir getan“ in Zusammenhang. Also was hat die Begebenheit der Christgeburt für Auswirkungen auf die Gesellschaft oder auf uns. So beziehe ich die Botschaft in den Alltag und auf die Gesellschaft, denn die Figuren stehen außerhalb der Krippe, an einem öffentlichen Ort der Stadt.
Hat sich Ihr persönlicher Glaube, durch die Auseinandersetzung mit biblischen Themen innerhalb Ihrer Arbeit verändert?
Da ich mir vorab überlege, was ich darstellen und aussagen möchte, verhilft mir meine Arbeit dazu Sichtweisen biblischer Themen neu zu denken. Meine Glaubenserfahrungen und -prägungen haben dadurch nicht unbedingt gewandelt, aber sie wurden gestärkt.
Inspiration und Kraft ziehe ich auch aus Diensten und Gemeinschaftserlebnissen in der Kirchgemeinde. Was ich dort erlebe, spiegelt sich dann auch in meiner Arbeit wider.
Was bedeutet Glaube konkret für Sie?
Glaube bedeutet für mich, von meinem Wollen undmeinen Wünschen loszulassen und Gott machen zu lassen. Da ist mir auch ein Wort wichtig geworden: „Der Herr wird für euch streiten und ihr werdet stille sein“. Das finde ich von Luther interessant übersetzt: „...ihr werdet stille sein“. Das klingt für mich so wie „...ihr werdet schon noch sehen“. Es hat so was Hoffnungsvolles. Da kann mich Glaube ganz gelassen machen, denn ich darf, muss aber nicht aus eigener Kraft, denn Gott macht.
Vermutlich haben einige Leser jetzt Lust bekommen, die Bergmännischen Figuren zu entdecken und auf sich wirken zu lassen. Herr Schelter, vielen Dank für das tiefgehende Gespräch.