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Wort des Landesbischofs zur gesellschaftspolitischen Situation


11. November 2018

Kanzelabkündigung für den 11. November 2018

Liebe Schwestern und Brüder!

Wir feiern heute den Drittletzten Sonntag im Kirchenjahr und stehen damit nahezu am Ende des Kirchenjahres. Für uns Christen ist dies eine besondere Zeit der Selbstprüfung. Wir suchen in diesen Tagen nach Wegweisung und blicken auf Christus, den Orientierungsgeber unseres Lebens.

In einem bewegenden Wort aus der Heiligen Schrift heißt es, dass in Christus die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes erschienen ist. (Titus 3, 4).

Freundlichkeit und Menschenliebe sind Gottes Handlungs- und Haltungsmuster, die für uns in Christus ihren wahrnehmbaren Ausdruck finden. In der Nachfolge Christi sind wir darum bemüht, dieser Haltung durch unsere Handlungen selbst Ausdruck zu verleihen.

In vielen Kirchgemeinden beginnen wir mit diesem Sonntag die Friedensdekade. Unsere Gedanken werden dabei auf das Zusammenleben in dieser Welt und in unserem Land gelenkt. Freundlichkeit und Menschenliebe zeigen sich nicht nur in der Zugewandtheit zu unseren Nächsten, sondern auch im Umgang mit politisch-gesellschaftlichen Vorstellungen, die uns persönlich fremd sind. Stigmatisierungen unliebsamer Meinungen passen genauso wenig zur Menschenliebe, wie Hetze gegen Verantwortungsträger, die nicht so entscheiden, wie wir es für richtig halten.

Menschenliebe zeigt sich ebenso im Umgang mit denen, die Hilfe nötig haben. Zu ihnen gehören Kranke und Einsame oder Menschen mit Behinderungen ebenso wie die sozial Benachteiligten. Auch ihnen sollen wir uns immer wieder neu menschenfreundlich zuwenden und mit Güte begegnen.

Dazu gehören auch jene Menschen, die vor Not und Gewalt aus ihrer Heimat in unser Land fliehen, um hier Schutz und ihr Glück zu suchen. An vielen Orten entbrennt Streit über den Umgang mit ihnen. In dieser Frage müssen wir um verantwortungsvolle und realistische Lösungen miteinander ringen. Eine Haltung, die im Fremden nur den Feind und nicht den Menschen sieht, ist nicht mit der christlichen Haltung der Freundlichkeit und Menschenliebe vereinbar, zu der wir in der Nachfolge Christi aufgefordert und eingeladen sind.

Wenn ich uns alle in diesen Tagen daran erinnere, dann tue ich dies, weil sich in den vergangenen Monaten Äußerungen von Menschenfeindlichkeit und Boshaftigkeit gezeigt haben, die unsere Herzen und die Welt, in der wir leben, bedrohen.

Am heutigen 11. November, vor genau 100 Jahren, endete der 1. Weltkrieg. Die Gewalt dieses und anderer Kriege, hat uns gelehrt, wohin erkaltete Herzen Menschen treiben können. Auch wenn sich Geschichte niemals in oberflächlicher Weise wiederholt, so tragen wir doch vor deren Hintergrund Verantwortung für Gegenwart und Zukunft.

Als Christen sind wir in besonderer Weise aufgerufen, unsere Mitwelt freundlich anzusehen und entsprechend an ihr zu handeln. An einer solchen freundlichen Sicht auf das, was uns fremd oder gar feind erscheint, wird sich entscheiden, welcher Zukunft wir entgegen gehen.

Ich danke allen, die sich für eine menschenfreundliche Atmosphäre einsetzen, indem sie unterschiedlichen Meinungen Raum gewähren und für die Schwachen eintreten.

Und ich möchte uns alle ermutigen, von dieser Haltung der Freundlichkeit und Menschenliebe nicht abzulassen und sie überall in das Leben und in die Gesellschaft, zu der wir gehören, einzutragen.

In Christus ist Gottes Freundlichkeit und Menschenliebe in unserer Welt erschienen. In der Nachfolge Christi kann für uns beides Wirklichkeit werden. Darin liegt Segen für unser Land.

Landesbischof Dr. Carsten Rentzing

 

Kanzel im St.-Petri-Dom in Bautzen

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