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Sächsische Landeskirche informiert über Fälle sexualisierter Gewalt in der Vergangenheit
04. Dezember 2021
DRESDEN – Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens informiert hiermit die Öffentlichkeit über Fälle sexualisierter Gewalt, welche sich in den 1960er und 1970er Jahren ereignet haben. Vier dem Landeskirchenamt namentlich bekannte Betroffene berichten von wiederholten Übergriffen in ihrer Jugendzeit. Als Täter benennen sie Kurt Ströer, der von 1956 bis 1986 als Jugendwart im damaligen Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) für die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens gearbeitet hat. Kurt Ströer war Moritzburger Diakon und ist 2013 im Alter von 91 Jahren verstorben.
Die geschilderten Taten fanden im Rahmen der Jugendarbeit statt, die Kurt Ströer verantwortet hat. Dabei wurden von ihm oft gezielt seelsorgerliche Situationen ausgenutzt. Die Betroffenen berichten sowohl von sexuellem als auch geistlichem Missbrauch, der sie bis heute belastet. Bereits 2012 hat sich ein Betroffener erstmals an die Gemeinschaft Moritzburger Diakoninnen und Diakone gewandt, welche das Landeskirchenamt darüber informierte. Danach war im Rahmen einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema der Name des Täters in einem Brief benannt worden, der im März 2013 an alle Mitglieder der Gemeinschaft verschickt wurde. Die Landeskirche informierte ihrerseits alle Superintendenten mit dem Ziel, mögliche weitere Betroffene zu ermitteln. Neben Unterstützungsleistungen nach damaligen Regelungen erhielten die Betroffenen später die Möglichkeit, sich an die Unabhängige Kommission zu wenden, die Leistungen zur Anerkennung erlittenen Leides durch sexualisierte Gewalt prüft.
„Die Tatsache, dass solche Taten im Raum unserer Kirche stattfinden konnten und diese während der Dienstzeit von Kurt Ströer nicht erkannt und verhindert wurden, beschämt uns zutiefst.“, sagt Präsident Hans-Peter Vollbach. „Ich bitte diejenigen, denen Kurt Ströer in ihrer Jugend Gewalt angetan hat, an dieser Stelle nochmals öffentlich um Entschuldigung für das, was sie dadurch erlitten haben.“ Dieser Fall zeige, wie der Vertrauensraum der Kirche missbräuchlich genutzt wurde und wie wichtig es daher sei, dass heute in den Kirchgemeinden und kirchlichen Einrichtungen alles dafür getan werde, dass Kinder und Jugendliche und andere Menschen vor solcher Gewalt geschützt werden. Dafür habe die Landeskirche in den letzten Jahren sowohl die Präventionsmaßnahmen als auch die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, die es nun überall umzusetzen und zu kontrollieren gelte.
Im Blick auf die Taten Kurt Ströers sei geplant, diesen Fall durch eine unabhängige, wissenschaftliche Studie aufarbeiten zu lassen. Derzeit warte die Landeskirche auf eine Nachricht, ob der Fall in die wissenschaftliche Studie zu sexualisierter Gewalt im Bereich der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aufgenommen werde, worum sich die sächsische Landeskirche seit mehreren Monaten intensiv bemüht. Wenn dies nicht möglich sei, werde man selbst nach Möglichkeiten einer solchen wissenschaftlichen Aufarbeitung suchen, so Präsident Vollbach. Wichtig sei es die Frage zu klären, welche Strukturen und Rahmenbedingungen in der kirchlichen Jugendarbeit damals – auch unter den besonderen Bedingungen der DDR - dazu beigetragen haben, dass Jugendliche solchen Taten ausgeliefert waren und diese Taten bis 2012 unentdeckt geblieben sind.
Hinweis: Sollten Sie selbst Erfahrungen sexualisierter Gewalt gemacht haben, können Sie sich an die Ansprechstelle für Fälle sexualisierter Gewalt in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens wenden, von der Sie Beratung und Unterstützung erhalten können. Informationen und Kontakte finden Sie unter folgenden Links:
Ansprech- und Meldestelle für Fälle sexualisierter Gewalt in der EVLKS:
Unterstützung für Betroffene: